Es war in der Nacht nach dem Verlust einer weiteren Vertrauten. Schwer war ihr Herz, der Nachthimmel klar und voller Sterne...
Anfangs zog es sie zwischen der Villa in Kolun, - wo sie beharrlich die vertraute Veranda ablief, auf der knarrenden Diele der dritten Stufe unablässig wippte – und Lardikia hin und her.
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Als sich Sheldru Vates erschöpft an den Strand setzte, da tauchte die Morgendämmerung die Umgebung bereits in ein flammendes Farbenspiel. Tief ging sie in sich, reflektierte die Geschehnisse der letzten Zeit mit einem Frösteln im Nacken; wurde das Bild des leblosen Körpers Valaary Asgariells mit dem friedlichen Lächeln im Gesicht und auch den Ausdruck im Angesicht Ellias’ nicht los, sah immer wieder das Gildenbanner durch die Luft fliegen, welches der Zauberer schmerzerfüllt von sich geworfen hatte.
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„Colindo Iaew“, die Magierin seufzte schwer, als sie an die Gemeinschaft dachte; als sie sich ihres Verlustes bewusst wurde.
Schwermütig ergriff sie ihr Amulett und ergab sich dem wärmenden Gefühl, als plötzlich eine Frauengestalt vor ihr auftauchte.
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„Mo chride, schaffe eine Zuflucht für jene aus Deinem Volk, die verteilt sind über alle Lande. Und führe ebenso jene, die sich Euch anschließen, in eine sichere Zukunft.
Schaffe die Grundlage, dass Deine Ahnen ihr Leben nicht sinnlos gegeben haben im Kampf gegen die Bedrohung. Sammel Dir Getreue und setze, so wie es prophezeit wurde, diesen Kampf fort.“
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Sheldru Vates blieb ruhig sitzen, blickte zu der Frau auf und beide lächelten, als sie sich gleichzeitig die Hand entgegen streckten.
„mathair...“. Ihre Fingerspitzen berührten sich und es erklang ein leises Zischen. Dort, wo die Hand ihrer Mutter eben noch war, züngelten nun Rauchschwaden auseinander.
„mathair...“, wiederholte sie, doch diese lächelte nur und mischte sich vor den Augen Sheldrus mit den Schwaden der Dunkelheit der schwinden Nacht. Zurück blieb der warme Klang ihrer Stimme, die mit der Zärtlichkeit aus Kindertagen das alte Lied sang.
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"Liebeste, meine Ama´, so schau doch hinaus, wirf einen Blick aus deines Vaters Haus, hier unten, hier steh ich und flehe dich an, ich schenk dir mein Leben, wenn ich dich lieben kann."
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So klagte einst ein Jüngling vor des Königs Schloß und erreichte nicht, was er sich erhofft. Im Blattwerk lies er sich nieder und träumte bald von einem seltsam Wesen, nicht jung, noch alt. Dies sprach zu ihm in zartem Ton:
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"Dies sei deiner Treue Lohn; Waldmensch, dir seien drei Wünsche geschenkt. Mit dem einen du dein Volk nach Westen lenkst, Den zweiten dir die Liebe kauft, den Letzten heb für deine Kinder auf."
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Und so rief er zu sich seine Getreuen, denn mit dem ersten Wunsch zog er ins Königsland ein.
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"Liebster, oh Liebster, ich höre dein Flehn, und kann doch nicht zu dir, man lässt mich nicht gehn."
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So klagte einst das Mädchen in ihrem Kämmerlein und unter Weinen und Schluchzen schlief es bald ein. Und wie auch ihr Jüngling träumte es bald von einem seltsam Wesen, nicht jung, noch alt. Dies sprach zu ihr im zarten Gesang:
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"Wissen sollst du, sei nicht bang; Königstochter, schöne, schenkst deinem Mann zwei Kinder. Das eine sanft wie unsere Wiesen, weiss wie unser Winter. Das zweite schwarz wie unsre Nächte, stürmisch wie das Meer. Deren Blut soll nie versiegen, gegen alle Zeiten zur Wehr."
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So schöpfte sie Mut, und ward sich gewiss, dass das Hämmern am Tore ihr Liebster ist.
Für einen kurzen Augenblick fühlte sich die Magierin so geborgen, als läge sie in ihrem Kinderbett und ihr war, als würde sie den unverwechselbaren Duft ihrer Mutter nach den Kräutern der Ramtops wahr nehmen
In dem Anschein, den beruhigenden Händedruck ihrer Mutter auf sich zu spüren fiel sie in einen tiefen Schlaf, aus dem sie erst zur Abenddämmerung wieder erwachte.
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Mit der Gewissheit einer neuen Aufgabe klopfte sie sich den Sand aus ihrem Gewand und blickte nachdenklich auf die Weiten des Meeres, auf dessen Wellen sich das Abendrot spiegelte und die brechenden Ausläufer feuerrot brodeln ließ.
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„Cirean Croin...“, murmelte die Magierin und machte sich auf den Weg.
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