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Schon auf der Reise durch Gobos verzehrte sich Milrepas nach Gilles. Ihre Ausstrahlung hatte ihn vom ersten Augenblick in den Bann gezogen.
Ihre unaufdringliche Überzeugungskraft, wie sie stählern die Widrigkeiten des Lebens bewältigte, die Art wie sie zu erzählen vermochte und zweifellos das lebendige Glänzen ihrer Augen waren es, dem er sich nicht zu erwehren vermochte.
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Gilles selbst waren die Blicke des Onlos nicht entgangen. Denn auch in ihr rührte sich, was sie seit Jahren verschüttet wähnte.
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Jedoch war sie auch Trägerin der Vairayana-/Cobhar-Prophezeiung. Nicht ihr, sondern Loag war es vorhergesagt, die Flamme zu führen. Sie hatte sie zu entzünden gehabt, Loag musste sie als Cobhar-Erbin weiter tragen.
Und auch nicht Milrepas sondern sein Bruder Yanas würde es sein, von dem, einer noch älteren Sage nach, das Blut Vairayanas stammen sollte.
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So hielt sie den Onlo mit Sehnsucht im Herzen auf Distanz und schöpfte aus ihren Energien umso intensiver Kraft für den Aufbau der Siedlungen in Sutranien und Delos.
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Loag und Yanas, die ihre Zuneigung füreinander bereits im Winterquartier in Gobos entdeckt hatten, waren dagegen derart von den Geschehnissen beansprucht, dass noch einige Jahre vergehen sollten, ehe die Blüte ihrer Liebe Früchte tragen würde.
Erst zehn Jahre nach dem Aufbruch aus Konlir, aus Loag war eine entfaltete Seherin geworden, nimmt der erfahrene Yanas die junge Zauberin zum Weib. Ihre Tochter Symadhi begründete die Vairayana-/Cobhar-Propheizeiung, nach der, dem Auguren Rihis zufolge, aus ihrem Geschlecht ein neues Volk entspringen solle, die Vairana.
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Ihr Leib dagegen solle die Flamme der magischen Befähigung an jede der Nachgeborenen der Vairayana/Cobhar-Frauen reichen, die einst zu einem Feuer auflodert, welches die schwärzesten Schatten verschlingt und sich dann zu einer wärmenden Sonne entfaltet.
So würde die letzte Vairayana-Tochter in gleißendem Licht vergehen und für jene ihres Volkes, die den Ahnen und Altvorderen Mirimothas treu geblieben sind, das Gestirn einer neuen Ära sein.
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Als ihr Volk in Sutranien annähernd zur Ruhe kam geschah, was alle in Erstaunen versetzte. Gilles, die jegliche Aufwartungen nach dem Tod ihres Gatten Wildebeest abgelehnt hatte, trug ein Kind unter ihrem Herzen.
Niemand wagte zu fragen, selbst ihre Tochter Loag wartete, ob ihre Mutter sie mit einbeziehen würde. Gilles jedoch nahm ihr Geheimnis über den Vater ihrer Tochter Nassadhy, welche einen Mondlauf nach ihrer Enkelin Symadhi geboren wurde, mit zu den Ahnen.
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Aber es gab noch ein Wesen, welches um den Vater des Kindes, welches nicht hätte sein dürfen und die Folgen, die es mit sich bringen könnte, wusste.
Milrepas Vairayana, der sein Wissen um die Prophezeiung und seine Befürchtungen nur mit seinem Tagebuch teilte, verging vor Sorge.
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Würde seine und Gilles Tochter Nassadhy ebenfalls Trägerin des Feuers für ein neues Volk sein? Und was wird geschehen, wenn die letzte Vairayana-Tochter den Kampf gegen die schwärzesten Schatten focht. Wer würde diese Tochter sein?
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Doch ist jenes Tagebuch, wie so viele Aufzeichnungen dieser Zeit auch, ungelesen von anderen Wesen verschluckt worden von den Windungen der Zeit.
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